Anreise, Tamale, SOS-Kinderdorf und erstes Ankommen in Larabanga
Am Samstag, den 28.09.2024, startete unsere Reise nach Ghana. Unser Flug startete um 6:55 Uhr in Frankfurt und nach einem Zwischenstopp in Brüssel landeten wir um 18 Uhr Ortszeit in Accra, der Hauptstadt Ghanas. Der Zeitunterschied zu Deutschland beträgt lediglich zwei Stunden (nach dem Umstellung auf die Winterzeit nur noch eine Stunde). Nachdem unser Visum und die Gelbfieberimpfung überprüft wurden, warteten wir auf unser Gepäck. Dabei passierte mir (Janina) direkt ein kleines Missgeschick: Ich fragte einen Mann, ob die Gepäckwagen kostenlos seien. Er sagte „Ja“, gab mir jedoch keinen Wagen, sondern schob ihn selbst bis zum Gepäckband und half uns die Reiserucksäcke zu verladen. Wir waren etwas unsicher, wollten ihn aber nicht abweisen. Während wir also noch auf unser Gepäck warteten, mussten wir Euros in Cedi wechseln, da uns schnell klar wurde, dass wir dem freundlichen Mann für seine Dienste Trinkgeld geben sollten. Auch nachdem unser Gepäck auf dem Wagen verstaut war, blieb der Mann bei uns und führte uns bis zur Zollkontrolle. Dort riefen ihm die Beamten etwas zu, woraufhin er uns in einem großen Bogen an der Kontrolle vorbei zum Ausgang führte. Er erklärte uns, dass wir wegen seiner Hilfe nicht durch die Zollkontrolle mussten… Wir gaben ihm 50 Cedi als Dank, sind uns aber im Nachhinein nicht sicher, ob das vielleicht zu viel war.
Am Flughafenausgang trafen wir dann Akeem und seinen Freund Adi. Akeem ist der Leiter von YODEC (Youth Development and Educational Center), der Organisation, mit der wir vor Ort zusammenarbeiten. Sie brachten uns zum Mainland Hotel, wo wir die Nacht verbrachten. Am nächsten Morgen ging es zurück zum Flughafen für unseren Weiterflug nach Tamale. Kurz nach unserer Ankunft begann es zu regnen, was Akeem besonders freute, da die Regenzeit in diesem Jahr deutlich zu spät und nicht mit der erwarteten Intensität einsetzte. Nach einer einstündigen Fahrt stoppten wir für ein Mittagessen, bei dem Akeem Jolof-Reis für uns bestellte – ein traditionelles Gericht mit Reis und Fleisch – viel Fleisch. Da wir normalerweise wenig Fleisch essen, war die große Menge für uns etwas überfordernd, aber mit Akeems Hilfe leerten wir alle Teller.
Unsere Unterkunft, die Vorsky Lodge im Norden Tamales, war für die nächsten vier Nächte unser Zuhause. Abgesehen von einer toten Kakerlake, die wir Luca tauften, war die Lodge völlig in Ordnung und das Personal sehr freundlich.
Apropos Freundlichkeit: die ghanaische Freundlichkeit bzw. Gastfreundschaft fiel uns im Allgemeinen sofort positiv auf. Da Akeem nicht mit uns in Tamale bleiben konnte, stellte er uns Madame Latifa, eine gute Freundin von ihm vor, die sich während seiner Abwesenheit um uns kümmerte. Jeden Morgen brachte sie uns Frühstück und rief nachmittags an, um unser Abendessen abzusprechen – eine ungewohnte, aber herzliche Geste. Außerdem stellte sie uns „Tricycle-Guy“, einen netten jungen Mann, vor, der uns in den kommenden Tagen mit seinem Tricycle durch Tamale fuhr.
Am Montag besuchten wir das SOS-Kinderdorf in Tamale. Dort bekamen wir Einblicke in die Arbeit mit bedürftigen Kindern und Jugendlichen. Im Dorf leben 40 Kinder in 12 Familien, jede mit einer „Mom“ und mindestens einer „Auntie“. Angeschlossen ist eine Schule mit etwa 400 Schüler*innen. Den Vormittag verbrachten wir in der zweiten Kindergartenklasse mit Kindern im Alter von 3 bis 4 Jahren – ja, die Kinder besuchen hier nicht wie in Deutschland den „normalen“ Kindergarten, sondern lernen im Kindergarten bereits Lesen, Schreiben und Rechnen. Die Lehrerin, Aunti Mathilda, empfing uns herzlich und unterrichtete die Kinder lebhaft über Körperpflege und Hygiene. Am Nachmittag besuchten wir eine erste Klasse mit 7- bis 8-jährigen Kindern und beobachteten den Unterricht in „Creative Arts“ und Mathematik. Trotz der angenehmen Atmosphäre war die Nachmittagsmüdigkeit der Kinder spürbar – für uns gut nachvollziehbar, denn die Schultage gehen hier täglich von 8 Uhr bis 15:30 Uhr.
Am Ende des Tages holte uns „Tricycle-Guy“ wieder ab. Er fragte, ob er seine kleine Schwester auf dem Heimweg einsammeln könne. Natürlich sagten wir ja und bekamen dadurch noch eine kostenlose Stadtrundfahrt. Zu unserer Überraschung war seine Schwester nicht, wie erwartet, ca. 18 Jahre alt, sondern ein kleines dreijähriges Mädchen, das auf der Rückfahrt trotz holprigen Straßen und viel „gehupe“ und Lärm zwischen uns einschlief – ein süßer Abschluss des Tages.
Am Dienstag verbrachten wir den Tag erneut im SOS-Kinderdorf und hatten die Gelegenheit, den Unterricht einer fünften Klasse zu beobachten. Zunächst stand „Sciences“ auf dem Stundenplan, gefolgt von „RME“ (Religion and Moral Education) sowie „Creative Arts“. Schon am Vortag waren wir beeindruckt, wie früh die Kinder hier Lesen, Schreiben und Rechnen lernen und wie gut ihr Englisch ist, obwohl sie zu Hause oft die regionale Sprache (in Tamale ist das in der Regel Dagbani) sprechen. Dieser Eindruck bestätigte sich am zweiten Tag. Besonders im Fach „RME“ beeindruckte uns, wie gut die etwa 25 Schüler*innen bereits über Themen wie Umweltschutz und Umweltverschmutzung Bescheid wussten.
Nach Schulschluss um 15:30 Uhr durften wir die zwölf „Family Houses“ des SOS-Kinderdorfs besuchen. Die Kinder dort haben unterschiedliche Schicksale, einige sind Waisen oder Halbwaisen. Da viele der Kinder gerade dabei waren, ihre Hausaufgaben zu machen, und wir das Gefühl hatten, ihren persönlichen Raum zu stören, hielten wir unsere Besuche kurz und traten nach etwa zwei Stunden den Rückweg an.
Trotz der relativ kurzen Zeit im SOS-Kinderdorf, haben wir das Gefühl einen guten Einblick in die Arbeit vor Ort mit den Kindern bekommen zu haben. Wichtig zu erwähnen ist, dass die Schule des SOS-Kinderdorfes eine Privatschule ist, für die Eltern, deren Kinder nicht im Dorf leben, Schulgebühren zahlen müssen. Wie es an öffentlichen Schulen aussieht, wissen wir daher noch nicht.
Nach unserem zweiten Tag im SOS-Kinderdorf fuhr uns „Tricycle-Guy“ im Dunkeln zurück in unsere Lodge. Die Fahrt im Dunkeln war wirklich abenteuerlich – vor allem, weil sich auf den Straßen Tamales neben Tricycles, Motorrädern und Autos, auch riesigen LKW´s, Fußgänger, Fahrräder und Tiere tummeln. Daher waren wir sehr froh, über unseren erfahrenen Fahrer. Zum Abendessen gab es Red Red mit Bean Stew, also frittierte Kochbananen mit einer Art Bohneneintopf – wirklich, wirklich lecker.
Am Mittwoch stand dann auch schon unser letzter Tag in Tamale an, den wir nutzen, um das erste Mal zu Fuß die Gegend um unsere Lodge herum zu erkunden. Am Nachmittag holten uns dann Akeem, Klaus und Hans ab. Klaus ist einer der Initiatoren des Projektes aus Deutschland und Hans ist ein guter Freund von ihm. Nach einer knapp zweistündigen Fahrt erreichten wir Larabanga, den Ort, an dem wir das Projekt der Organisation YODEC unterstützen. Da wir im Dunkeln ankamen, konnten wir an diesem Tag nicht mehr viel vom Gelände sehen, jedoch waren wir sehr begeistert vom Farmhaus, in welchem wir ein kleines Zimmer beziehen durften.
Unser erster richtiger Tag auf der Site begann mit einer Besichtigung des gesamten Geländes, das mittlerweile rund 6 Acres (etwa 2,4 Hektar) umfasst. Zuerst führte Akeem uns zu den beiden Fischteichen, in denen Welse (Catfish) gezüchtet werden. Danach ging es weiter über die Felder, wo verschiedenste Obst- und Gemüsesorten im Agroforstsystem angebaut werden. Dieses System kombiniert Bäume und Ackerkulturen auf einer Fläche. Hier bedeutet das, dass zwischen Bananen-, Mango- und Papayabäumen regionales Gemüse wie Tomaten, Paprika, Salat und Auberginen wächst. Zudem gibt es große Felder mit Mais, Chilis, Okra und Yams sowie Orangenbäume und vieles mehr. Nachdem wir mit der Führung fertig waren, mussten wir uns erstmal im Schatten ausruhen. Obwohl es noch Regenzeit ist, klettert die Temperatur zur Mittagszeit auf über 30 Grad und die Sonne hat eine wesentlich höhere Strahlungsenergie. Daher machen auch die Co-Worker, die dauerhaft hier auf der Farm arbeiten und die Hitze gewöhnt sind, zur Mittagszeit eine längere Pause. Auf den Feldern ist es zu dieser Zeit nicht zu ertragen.
Der letzte Tag unserer ersten Woche begann mit unserer ersten festen Aufgabe auf der Farm: die Fütterung der Welse. Die Fische, die hier in den Teichen gezüchtet werden, gelten in Ghana als Delikatesse. Das Füttern dauert etwa 30 Minuten und ist ein angenehmer Start in den Tag. Da wir in einem muslimischen Gebiet leben, ist Freitag hier der Ruhetag, ähnlich wie der Sonntag in Deutschland. Die meisten Co-Worker bleiben an diesem Tag zu Hause, da sie gläubige Muslime sind. Zusätzlich freuten sich alle über den langanhaltenden und teils starken Regen, der an diesem Tag fiel.
Highlight der Woche
Jede Woche möchten wir ein besonderes Highlight hervorheben und näher beschreiben. In unserer ersten Woche in Ghana war dies zweifellos die Führung über das beeindruckende Farmgelände. Wir waren beide überwältigt von der Vielfalt der Pflanzen, die hier wachsen. Innerhalb von nur drei Jahren sind Felder entstanden, die nachhaltig Erträge bringen und bereits zwei Trockenzeiten überstanden haben. Der Anbau im Agroforestsystem scheint also sehr erfolgreich zu sein. In den Bereichen, wo die Bananen-, Kochbananen-, Mango- und Papayabäume bereits groß genug sind, um Schatten zu spenden, bleibt der Boden spürbar feuchter als in anderen Teilen. Dies konnten wir gut beobachten, da auf einem Teil der Farm erst in dieser Regenzeit neue Mangobäume gepflanzt wurden, die noch klein sind, während auf dem „alten“ Teil der Farm bereits drei Jahre alte Bäume stehen.
Besonders spannend wird es in den kommenden Wochen, wenn die Regenzeit leider endet, zu sehen, wie sich die Pflanzen während der Trockenzeit entwickeln und ob der Schatten der großen Bäume weiterhin ausreicht, um das Gemüse zu schützen. Während der Führung wurde uns auch deutlich, wie engagiert die Co-Worker an dem Projekt arbeiten und wie viel Energie sie, allen voran Akeem, in dessen Erfolg investieren. Sie kennen sich auf den Feldern bestens aus und wissen genau, wie weit jeder Baum bereits gewachsen ist. Dieses Engagement hat uns besonders beeindruckt und motiviert, hier so viel wie möglich mitzuarbeiten.